Oft, zumindest oft genug wird der Eindruck vermittelt, dass Yoga so etwas wie ein Allheilmittel sei. Ja. Yoga kann viel, sehr viel sogar. Doch zu viel darf man nun auch nicht erwarten...
Keine Frage! Ich halte viel von Yoga, verdammt viel sogar – sonst würde ich es ja nicht lieben, leben, lernen und sogar lehren. Ohne Yoga wäre manches anders, ich vermutlich auch. Aber da ich nun mal nicht als ewig lächelnder kleiner Buddha durchs Leben wandle, kann ich manche Dinge eben einfach nicht ab in der Yogabubble: Diese Sache zum Beispiel, bei der Yogis so tun, als sei Yoga ein Allheilmittel. Etwas, das sie einfach so und wie schnurstracks gerettet hat. Gerettet vor was auch immer.
Die immer gleiche Geschichte
Man findet die Geschichte unter anderem in einigen Yogabüchern (speziell denen von Promis, die nebenbei ein bisschen Yoga machen oder auch in denen von Promis der Yogiszene). Und die Geschichte geht so: Gerade eben war die Person noch ein seelisches und/oder körperliches Wrack. Sie war am Boden zerstört. Alles war irgendwie falsch oder fühlte sich zumindest so an... Dann trat Yoga wie ein Licht in ihr Leben... und alles wurde nicht einfach nur ein Stück(chen) besser... Nein! Alles wurde gut. Und sie lebten glücklich bis...
In der Geschichte verschwinden nicht nur Rückenschmerzen (das tun sie wirklich oft, es gibt aber auch Yogis mit Bandscheibenvorfall), es verschwinden auch die Selbst- und die sonstigen Zweifel, der Stress, die Schlafprobleme, die Traurigkeit und vieles mehr. Dafür strotzt man vor Kraft für so ziemlich jede Herausforderung des Lebens, schläft wie man es sich von einem Baby wünschen würde (schnell ein und dann durch) und alles passt. Und obendrein bekommt man dann noch diesen tollen und typischen Yoga-Arsch (nun ja, der typische Yogi-Po ist eher flach) und Arme wie Madonna, denn die macht doch auch Yoga.
Wie im Film
Solche Erzählungen erinnern mich immer ein bisschen an die Erzählweise dieser romantic comedies, in denen die meist weibliche Protagonistin (Heldin ihres Lebens scheint sie nicht) in einem Trümmerhaufen lebend dargestellt wird. Sie hat zwar einen Job (oft irgendwas mit Medien), ein Dach über dem Kopf, Familie und Freunde – aber sie hat halt keinen Mann... (was falsch an dieser Darstellung ist, wäre einen weiteren Blogbeitrag wert). Dann taucht Mr. Right auf... und alles wird wie von Zauberhand (ich könnte jetzt wohl auch Zauberpenis schreiben) gut. Richtig gut.
Es ist mit Yoga zwar nicht ganz so wie mit Beziehungen, in denen man bekanntlich nicht glücklich/glücklicher wird, wenn man nicht auch mit sich selbst glücklich ist. Yoga kann da tatsächlich mehr, die Achtsamkeit fürs Glück und das Glücksempfinden stärken zum Beispiel. Yoga hilft, ist aber verdammt nochmal kein Zauber- oder Allheilmittel.
Kein Märchen
Bin ich zu streng? Zu subjektiv? Seit bald 20 Jahren mache ich Yoga, seit 10 Jahren praktiziere ich es – das nämlich ist ein Unterschied, genau wie Yoga vorturnen und Yoga verkörpern. Dass ich Yoga machte, hat mich vor zehn Jahren nicht vor einem Burnout bewahrt. Vielleicht weil ich es damals "falsch" gemacht beziehungsweise eben nur gemacht habe wie etwas auf der to do-Liste, das es abzuhaken gilt. Vielleicht weil ich damals das ganze große Ganze, das Yoga ist nicht so wie heute leben konnte und wollte. War ich vielleicht nicht Yogi genug? Oder sollte es einfach so sein?
Die Geschichte von Yoga und mir ist kein Märchen wie aus und auf rosa Zuckerwattewolken. Es ist ein Tatsachenbericht mit Hochs und Tiefs. Es ist gelebte Erfahrungswissenschaft. Es ist ein Anker, aber keine Zauberei. Ich bin eine Yogini, die sagt:
Geringschätzen sollte man Yoga nicht,
überbewerten aber auch nicht.
Genau wie man uns Yogis nicht geringschätzen, aber auch nicht überbewerten sollte. Ich bin Yogini, doch nicht durch und durch. Und erst recht nicht wie aus dem Bilderbuch. Ich bin vor allem Mensch, und menschlich. Ich bin nicht immer tiefenentspannt, nicht immer geerdet, nicht immer selig, nicht immer Licht und Liebe.
Ehrlich: Es kann sein, dass ich einen Yoga-Arsch habe, vor allem aber kann ich auch ein Arsch sein. Ich bin nicht ohne Schatten, ich habe schon oft genug Yamas und Niyamas (das sind keine griechischen Spirituosen, das sind die Yogi-“Gebote“) verletzt. Ich bin nicht einer dieser Menschen, die ihr Leben und Glück, oder besser Glücksempfinden allein dem Yoga verdanken.
Yoga praktizieren heißt nicht, dass ich die oder zur Erleuchtung gefunden habe, oder ihr auch nur nahe wäre. Es bedeutet nur, dass ich im wahrsten Sinne dieses Wortes erkennen kann (oder zu erkennen glaube), dass ich in manchen Dingen und Fragen vielleicht ein bisschen mehr Licht zur Verfügung habe, vielleicht mehr als andere – jedenfalls sogar Licht genug, meine oben erwähnten Schatten zu beleuchten (und meist keine Angst dabei zu haben). Und es heißt, dass ich nicht ohne Yoga sein möchte. So oder so.
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