Mammon und Malasana

Veröffentlicht am 5. August 2023 um 18:24
Icon einer Yogaposition, Yogaasana Malasana, eine tief hockende Position

Der Sprachgebrauch in der Yoga-Szene (und der Szene drum herum natürlich) ist seltsam. Und da meine ich jetzt nicht Begriffe wie Chakra&Co., sondern ich betone: Es ist und bleibt mehr Bubble als Branche, wenn nach wie vor von „Energieausgleich“ die Rede ist statt handfest von Geld zu reden - von Kosten, Gebühren, Preisen oder was auch immer man als Wort benutzen mag, darf oder kann, um zu benennen, wie viel Geld für eine Leistung verlangt wird. Es ist nicht nur okay, sondern nötig, dass Lehrende und Teilnehmende klar von Geld fürs Yoga sprechen statt mit Energieausgleich weichzuspülen. 

Ich glaube, mir platzt das oder etwas aus meinem Vishuddha-Chakra, wenn ich stattdessen noch mal das Wort "Energieausgleich" lese oder höre. Energieausgleich zu sagen statt zu sagen, dass etwas so und so viel/wenig* kostet beziehungsweise der Preis so und so hoch/niedrig* ist, ist eine Floskel, die schlicht für Verschleierungstaktik spricht. Und die darüber letztlich Werte vermittelt.

Energieausgleich klingt überhaupt nicht nach dem, was im Yoga/in der Yoga-Branche genauso erlaubt ist wie in jeder anderen Branche: Geld verdienen. Man darf mit seiner Arbeit Geld verdienen. Man darf für seine Leistung Geld verlangen. Man darf so viel Geld bekommen, dass man davon leben kann. Das macht das hehre Ziel, das hinter dieser Arbeit steht nicht kleiner oder weniger wert. Berufsfeuerwehrleute mit dem hehren Ziel Brandschutz, Menschenleben retten und was sonst noch so zu ihrem Amt gehört, bekommen ja auch keinen Energieausgleich, sondern sie bekommen Geld für ihre Arbeit. 

Energieausgleich klingt nach Aufwandsentschädigung und Nettigkeit, nach "Arbeit, die Spaß macht, ist keine richtige Arbeit" und gar nicht mal so gutem Goodwill. 

Kosten sind nicht gleich Kommerz

Natürlich schwingt angesichts der jahrtausendealten Tradition des Yoga jedes verdammte Mal wenn es um Geld geht auch mit, dass es der Westen und die Art, wie Yoga hier interpretiert wird, kommerziell hat werden lassen. Nun ja... das ist ein weites Feld... Dass Yoga beziehungsweise der Yoga-Unterricht als Dienstleistung etwas kostet, macht es nicht automatisch kommerziell im negativ konnotierten Sinne.

Kommerziell in diesem Sinne ist eher all das, was drumherum entstanden ist – das Schreien nach der immer neuesten Yogamode, das Vermarkten in allen Facetten, das Aufdrucken von kleinen Buddhafiguren auf jede x-beliebige Handseife – you name it, Beispiele gibt es genug. Und dass Menschen ohne mit der Wimper zu zucken bereit sind, knapp 100 Euro für Leggings mit irgendeinem Print auszugeben, aber bei 10 Euro für eine Yogastunde zu knausern beginnen, steht noch auf einem anderen Blatt.

Tatsache ist: Über Geld spricht man scheinbar nicht gerne, erst recht nicht in diesen Kreisen der Sufi-Kreise. Eher erreicht der Hintern in Malasana, der tiefen Hocke, den Boden als dass Yoga und der schnöde Mammon zusammen gehen. Doch auch jemand, der Yoga unterrichtet und vielleicht immer ein bisschen, oder zumindest mehr als andere, wie Licht&Liebe erscheint, lebt nicht von Licht&Liebe allein. Auch so jemand muss Miete zahlen, Rechnungen begleichen und Essen essen.

Die Bezeichnung Energieausgleich

ist mangelnde Transparenz.

Wie die Preise einer Yogastunde konkret entstehen, steht noch auf einem anderen Blatt und von Kompetenz bis Kerze kommen so einige Kostenfaktoren zusammen. Hier nur so viel: Es kostet, dass sich eine solche Lehrperson zusätzlich zur teuren Ausbildung immer weiter weiterbildet und jede Menge Erfahrung in der Yoga-Berufung hat. Kosten entstehen zum Beispiel auch, indem Yogamatten gestellt werden, Raummieten getragen werden, Musik abgespielt wird, Düfte durch den Diffusor gepustet werden oder was auch immer eben zum jeweiligen Unterricht gehört. Die Bezeichnung Energieausgleich für all das ist einfach nur mangelnde Transparenz.

Yoga kostet - die Mühe klarer Kommunikation

Yoga-Unterricht verursacht Geld-Kosten, und er kostet demzufolge auch Geld. Mal mehr und mal weniger - wobei übrigens weder das eine noch das andere etwas über die Qualität sagt. Es kann sein, dass eine Stunde in einem Verein sehr preiswert für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist, so ein Verein die Lehrperson jedoch ganz gut bezahlt und die auch einen verdammt guten Yoga-Job macht (ja, ich meine mich).

Hochpreisige Yogastunden müssen nicht automatisch besser sein. Manche Stars der Szene bekommen sehr viel mehr Geld als der Durchschnitt der Yogalehrenden, liefern mitunter aber höchstens durchschnittliche Arbeit ab. Es ist nicht kompliziert. Es ist komplex. Wir machen es beiden Seiten (Yogalehrenden und -teilnehmenden) nur unnötig kompliziert, wenn wir das mit dem Wort Energieausgleich verschleiern. 

Bitte lasst es uns beiderseits klar kommunizieren. Es können sicherlich Preise, Gebühren, Beiträge, Kosten sein - aber es geht um Geld, nicht um Energieausgleich!

 

* Machen wir uns nix vor, meistens ist es in der Szene und Branche so, dass es wenig und niedrig zugeht, wenn es um Kosten und Preise geht, die von den Leuten verlangt werden.

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Kommentare

Margot
Vor einem Monat

Hallo, ich musste jetzt so herzhaft lachen, wie Sie den Begriff Energieausgleich beschrieben haben. Ich war gestern auf einem Seminar über die Gienow Methode und immer ging es um Energieausgleich....mir ging echt die Hutschnur hoch, ich sehe das genau wie Sie in Ihrem Bericht. Ich bin Physiotherapeutin und das ist Arbeit, was ich leiste und nicht Energieausgleich. Das Seminar war eh nur Verkaufsstrategie über dubiose Produkte wie z.B. Heilung über Qods, QR Codes etc....wenn Heilung so einfach wäre.
Schöne Grüße
Margot