Annahme Abnahme

Veröffentlicht am 7. Januar 2024 um 12:10
Icon einer Yogaposition, Yogaasana Drehsitz, Arme nahe des Körpers und aufgestellt

Für den Wocheneinkauf streife ich durch den Supermarkt. Das Körbchen ist voll, ich nähere mich dem Kassenbereich und stoppe am Zeitschriftenregal. Dort springt es mich an. „Abnehmen mit Yoga“ steht auf dem Cover.

Das ganze 130 Seiten dicke Heft, knapp 10 Euro teuer, dreht sich darum. Die Versprechungen (oder gar Verheißungen?) auf dem Cover lauten „Effektiver 28-Tage-Plan“, „Schlank und straff werden“, „Essen wie ein Yogi“ und „Frische Energie tanken“. Es gibt dazu 86 Stellungen und Sequenzen, steht in großen Lettern da.

Yoga wird verkauft wie alles 

Ich blättere kurz hinein. Mehrere Seiten stellen zum Beispiel "die besten Yogaformen zum Abnehmen" vor, es werden Yoga-Sequenzen zur Fettverbrennung angekündigt und unter dem Stichwort „Willkommen“ heißt es unter anderem: „Aber wussten Sie, dass Yoga mehr als nur eine Entspannungsmethode ist?“ – ich schnaube hörbar aus, als wäre das alles eine Atemübung. „Wussten Sie, dass Yoga nicht aufs Körperliche reduziert werden sollte?!“ möchte ich der Redaktion schreiben.

Ich lasse es aber. Genau wie ich das Heft zurücklasse. Ich möchte dafür kein Geld ausgeben. Ich möchte das nicht unterstützen. Dies hier ist also keine tiefenrecherchierte Heftkritik, dies hier ist ein Ausschnauben:

Die Arbeit mit Triggern

Yoga ist inzwischen eine Branche wie viele andere. Eine, in der Geld verdient wird. Geld zu verdienen ist natürlich vollkommen in Ordnung, ich tue es ja auch mit Yoga und E-Books dazu. Geld wird in dieser Branche nicht allein mit Yogastunden, sondern vor allem mit dem ganzen Drumherum verdient – mit Yoga-Mode, mit Yogalifestyle-Produkten, mit Yoga-Equipment und vielem mehr... und eben auch mit solchen Heften. Nicht selten wird das Label „Yoga“ auf Dinge gepresst, die (m.E.) nicht wirklich Yoga sind.

Das ganze Cover, und sehr wahrscheinlich das Heft an sich, ist die klassische Jahresanfangsverkaufe eines Produkts, das wiederum Yoga zum Produkt macht. Es wird mit jenen Triggern gearbeitet, die jetzt wahrscheinlich auch die Fitnessstudios wieder voller machen und Laufschuhe wie warme Semmeln verkaufen. Abnehmen sollen/wollen ist nun mal so ein typischer Jahresanfangsvorsatz. Der verkauft sich immer gut...

Yoga wird aufs Körperliche reduziert

Mein Schnauben richtet sich so gar nicht mehr gegen dieses Heft, es richtet sich gegen das, was es verkörpert und all das, was immer wieder rund um Yoga auftaucht. Yoga wird gerade in unserer Gesellschaft immer wieder aufs Äußere und das Außen reduziert. Yoga wird verkauft als ein weiteres Workout zur Selbstoptimierung, um in Raster zu passen.

Ich sage nicht, dass man Yoga verkopfen muss

– ganz im Gegenteil!

Dabei ist es für mich als Yogini und Yogalehrerin vollkommen in Ordnung, wenn Menschen (zunächst) vor allem an körperlichen Aspekten des Yoga interessiert sind oder (zuerst) Yoga = Asana denken. Es ist in Ordnung aus körperlichen Gründen auf die Yogamatte zu finden und es ist in Ordnung, das Körperliche zu genießen und Spaß daran zu haben. Ich sage nicht, dass man Yoga verkopfen muss – ganz im Gegenteil! Yoga, vor allem Yoga hierzulande, hat natürlich auch Workout-Aspekte an sich. Auch das ist vollkommen in Ordnung, denn nicht umsonst ist das Körperliche ja ein Teil des Yoga. Und die Asanas haben jede Menge positive Wirkungen auf den Körper.

Aber: Körperliches ist nur ein Teil, ein Teil des großen Ganzen namens Yoga. Wir sollten Yoga nicht darauf reduzieren oder es eine weitere Sache sein lassen, die sich um Äußeres, Äußerlichkeiten und das Außen dreht.

Yoga ist mehr als irgendein Workout

So wenig ich die abgedroschenen Sprüche über Yoga sonst so mag, so viel Wahres steckt ja doch in ihnen. So heißt es oft, dass Yoga kein Workout, sondern ein Work-In sei. Es geht nun mal um Körper, Geist und Seele. Es geht um das große Ganze, das man selbst ist. Man sagt auch: Im Yoga kommt man nicht mit dem Körper in die Haltungen, sondern mit den Haltungen in den Körper. Ich sage: Und von dort aus geht es in Geist und Seele.

Und so kann es sein, dass man mit Yoga abnimmt. Vielmehr aber ist es wahrscheinlich doch so, dass man durch Yoga ein Bewusstsein für sich und demzufolge auch den eigenen Körper und seine Bedürfnisse entwickelt, was einen gesunden Umgang damit möglich macht. Es kann auch sein, dass man durch Yoga zum Beispiel ein Mindset entwickelt, das einem aufs Äußere bezogene Bewertungen egal/egaler werden lässt. Es kann sein, dass man ein Bewusstsein für den eigenen Körper entwickelt, das zu einer gesünderen Lebensweise führt. Aus einer solchen Lebensweise kann eine Gewichtsreduktion resultieren, muss aber nicht.

Körperliches ist okay, aber nicht alles

Letztlich darf so gut wie alles, was Menschen zum Yoga bringt seine Berechtigung haben. Viele Menschen finden auch aus körperlichen Gründen wie Rückenschmerzen auf die Yogamatte. Es spricht auch nichts dagegen, Yoga (auch mal) nur körperlich zu betreiben. Yoga aufs Körperliche und die Körper-Optimierung zu reduzieren, wäre aber meines Erachtens fatal.

Das heißt nicht, dass eine Yogastunde in eine Philosophie-Vorlesung ausarten muss, genauso wenig wie sie sonst irgendwas muss (Klangschalen, Räucherstäbchen, Kopfstände, etc.), Yoga sollte aber tiefer gehen als Bauch-Beine-Flow. Yoga ist keine Frage verbrannter Kalorien, es ist eine Frage des großen Ganzen.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.